Schulfest, Taufe Diabangkunda, Hochzeit Khemo

 

Nachdem ich während Annes Aufenthalt die Bekanntschaft der einzigen SportlehrerIN an der Schule gemacht hatte und sie von meiner Sportbegeisterung erfahren hatte, bat sie mich, den Sportclub bei seinem Auftritt anlässlich des anstehenden Schulfestes zu betreuen, da ihre Anwesenheit noch nicht gesichert war. Aufgrund der seit Dezember andauernden Streiks der Lehrer (sind in unzähligen Gewerkschaften organisiert, die unterschiedlichen Streikprinzipien folgen; der Großteil macht von 8 Uhr bis 9/10 Uhr Unterricht und verlässt die Schule anschließend; Streikzeitpunkt wurde wegen der anstehenden Präsidentschaftswahlen gewählt; die Referendare/neueingestellten Lehrer und ich sind fast die einzigen, die durchgehend Unterricht machen) hatte es dieses Schuljahr noch kein einziges Treffen des Clubs gegeben, so dass uns vor dem Schulfest nur zwei Trainingstage blieben. Bei der Fitness der Schüler allerdings überhaupt keine Problem. Zudem hatten sie vieles aus dem letzten Jahr im Kopf behalten. Sollte ich zuerst nur Betreuerin sein, baten mich die Schüler bereits während des ersten Trainings, mit ihnen aufzutreten. Gemeinsam mit der Sportlehrerin erarbeiteten wir also ein Bodenturnprogramm, das wir auf auf dem Basketballfeld ausgelegten Matten einstudierten;-). Noch am Morgen des Festtages übten wir ein weiteres Mal in einem der Klassenzimmer, während draußen bereits die Vorbereitungen für die Feier begannen. Dabei war eine Begeisterung unter den Schülern zu spüren, die man bei uns leider nur noch selten findet: Besonders die Jungen überboten sich noch kurz vor unserem Auftritt mit Vorschlägen für Übungen, wobei Salti beispielsweise bereits die Kleinsten (hier gibt es keine Turnvereine, um das zu lernen!) beherrschen! Die Vorstellung war schließlich auch ein voller Erfolg und der Stolz über die gemeinsam erbrachte Leistung, den man den Schülern sofort ansah, entschädigte für alle Anstrengungen! Nach unserem Auftritt, hatte jeder der neun Clubs unserer Schule die Möglichkeit etwas zu präsentieren (z. B. Englischclub, Informatikclub, Literaturclub etc.). Die meisten hatten kleine Theaterstücke auf Französisch und Wolof vorbereitet, die trotz der seltenen Clubtreffen (Lehrerstreik) wirklich gut waren und das Publikum immer wieder zum Lachen brachten. Nach einem Vortrag des Philosophielehrers und einem kleinen „Cocktail“ (=Bissapsaft und von den Schülerinnen zubereitete Keckse und Süßspeisen) folgten am Nachmittag die Vorentscheidungen der „Miss- und Playboywahlen“. Die Kandidat(inn)en präsentieren dabei sowohl ein traditionelles als auch ein modernes Outfit, um sich im Anschluss daran einem kurzen Interview durch die Jury (3 Lehrer) zu unterziehen. Auch ich wurde gebeten teilzunehmen, lehnte aber mit Hinweis auf meine Größe lachend ab (die Jury hätte mich auf dem Laufsteg ja nicht einmal gesehen^^). Das Finale fand schließlich vor dem Tanzabend im „Black&White“ statt und brachte zwei würdige Preisträger hervor.

Nur zwei Tage später, an Fastnacht, wurde der letzte Tanzabend der Christen vor der Fastenzeit organisiert: „Mardi Gras“. Dafür verkleiden sich die Jungen als Mädchen und die Mädels laufen in Jungenklamotten auf. Wollte ich erst ein trditionelles Jungenoutfit wählen, entschied ich mich schließlich dagegen, da ich in diesen weiten Anziehsachen nicht zwei Schritte laufen konnte, ohne zu stolpern. Einer meiner Brüder lieh mir anschließend seine modernen Anziehsachen und mit einer Cappy auf dem Kopf, wurde ich schließlich von niemandem mehr als Mädchen erkannt (seitdem habe ich „Eminem“ als weiteren Spitznamen^^).

Eine Woche später feierten wir die Taufe der kleinen Tochter eines Onkels auf Diabangkunda, unserem Grundstück (Diabang=Familienname,kunda=Haus), da die Taufen der Muslime hier normalerweise immer eine Woche nach der Geburt im Haus des Vaters stattfinden. Dabei wird der Name des Kindes verkündet, das üblicherweise nach einem „Homonym“ (einer Person/Persönlichkeit, die man sehr schätzt und die danach auch eine geweisse Verantwortung für das Kind trägt, unseren Taufpaten gleich) benannt wird. In diesem Fall war meine „Mutter“, Seynabou, das Homonym und so die Organisation des Festes Ehrensache für die Familie, bereits am Vortag das gesamte Gelände hergerichtetet hatte. Mit meinen Schwestern bereitete ich Bissap-, Buisäfte und kleine Teigbällchen zu, sogenannte „Efotel“, die grundsätzlich bei Taufen und Beerdigungen an die Gäste verteilt werden. Gast kann dabei jeder sein, der von einer irgendwie mit der Familie verwandten Person eingeladen wird-> so fanden sich also gut 250 Personen bei uns ein, die alle versorgt wurden und besonders am Nachmittag für eine unglaubliche Stimmung sorgten. Bei Ankunft der Kindesmutter (üblicherweise verbringen die Frauen an diesem Tag mindestens 2 Stunden im Schönheitssalon^^) und ihrer Freundinnen, hatten sie erst jeden Gast persönlich zu begrüßen, was bei einer solchen Menge dann doch ziemlich viel Zeit in Anspruch nehmen kann;-) Zum Rhythmus der eingeladenen Trommelspieler wurde anschließend getanzt bis zum Umfallen und erst spät abends aufgehört.

Am darauffolgenden Wochenende sollte ich das erste Mal an einer europäisch-afrikanischen Hochzeit hier im Senegal teilnehmen: die Vermählung von Khemo, den ich bereits mit Anne in Abéné besucht hatte, und seiner holländischen Freundin Nan. Verwandte und Freunde von Nan waren dazu extra aus Europa angereist. Nachdem ich mit den Cousinen aus meiner Familie Freitagmorgen alle Einkäufe erledigt hatte, bereiteten wir am Strand von Abéné vor der Kulisse des Meeres schließlich das Mittag- und Abendessen für alle Gäste vor (Töpfe, in denen ich mich verstecken kann und Kochlöffel von 1,50m Länge^^). Am folgenden Tag sollte die Zeremonie mit Übergabe der Kola-Früchte in der Moschee des Heimatdorfes Khemos stattfinden, in das sich die gesamte Festgesellschaft begab. Mit den Mädchen des Dorfes, Trommelspielern und dem Koumpo (ein Geist, den es in jedem Dorf gibt; Größe eines Erwachsenen, der über und über mit einem Blätterkleid bedeckt ist; aber KEIN Mensch für die Bewohner hier!!!) begrüßten wir die europäischen Gäste und begleiteten sie zum Geburtshaus Khemos. Da es bereits relativ spät war, wurde die Zeremonie mit den Kola-Früchten kurzerhand draußen unter der Aufsicht des Imam abgehalten. Bei Einbruch der Dunkelheit schließlich wurde Nan, unter einem Schleier versteckt, vom ganzen Dorf unter Trommelrhythmen und mit Tänzen zum Haus von Khemos Eltern begleitet und somit in die Familie eingeführt (für alle, die sich fragen, ob ich getanzt habe: ja, natürlich und die Leute waren absolut begeistert^^). Bei Mondschein schließlich fand der Koumpo-Tanz statt, der hier in jedem Dorf eine lange Tradition hat (jedes Dorf besitzt anders aussehende Geister). Dabei versammeln sich die Frauen des Dorfes in einem riesigen Kreis, die Tam-Tam-Spieler umgebend. Je nach Dorf benutzen sie unterschiedliche Rhythmusinstrumente: in Kafountine handelt es sich um Eisenstäbe, die aufeinandergeschlagen werden, auf der Hochzeit benutzten wir – mir inklusive^^ - Holstücke). Es werden traditionelle Lieder gesungen, während die Jungen die Stimmung anheizen, indem sie singend den Kreis durchqueren. Ist der Koumpo mit Stimmung zufrieden (er „spricht“ normalerweise nur mit einem Jungen des Dorfes, der die „Sprache“ des Kumpo versteht; für mich hat es sich wie jemand angehört, der durch ein Mundharmonika spricht; ich habe aber nicht behauptet, dass es sich um eine Person handelt!^^), betritt er den Kreis und beginnt seinen Tanz: Dabei wird ein Holzstab, der normalerweise aus dem Kopf des Geistes ragt, als Stütze benutzt, und sich unglaublich schnell um die eigene Achse gedreht – ein unwahrscheinlich beeindruckendes Bild, besonders wenn der Koumpo sich über einem kleinen Feuer dreht und so die Feuerfunken zum Himmel fliegen, bevor die Flamme erlischt. Ist der Koumpo unzufrieden (z. B. wenn die Mädchen nicht gut singen oder die Jungen sich über ihn lustig machen), rennt er blitzschnell den Übeltätern nach, die sich kreischend aus dem Staub machen (kam häufiger vor^^). Allerdings muss er anschließend durch besonders schönes Singen und gute Trommelrhythmen wieder besänftigt werden, bis er den Kreis erneut betritt. Will der Koumpo zum Tanzen aufforden, setzt er sich vor der entsprechenden Person auf Boden und neigt seinen „Kopf“. Als er mich entdeckt hatte, war genau das der Fall und selten hat es mir so viel Spass gemacht, zu den Trommelrhythmen zu tanzen, wie an diesem Abend. Will man einer Person oder dem Koumpo Anerkennung für seinen Tanz zollen, rennt man dorthin und macht einen kurzen Schlenker mit dem Bein, bevor man sich wieder auf den eigenen Platz im Kreis begibt (entspricht etwa der oben erwähnten Drehbewegung auf dem Kopf des Chordirigenten^^) – als einzige teilnehmende Toubab findet man sich nach einer Tanzeinlage plötzlich vor einer ganzen Menschenmenge, die einem zur Vorstellung gratulieren will;-). Neben dem Kumpo, dem „guten“ Geist, gibt es in jedem Dorf auch noch mindestens einen „bösen“ Geist, dem besondere Ehre erwiesen werden muss. Selbst der Koumpo entfernt sich bei Erscheinen des „bösen“. Wir Mädchen knieten uns blitzschnell auf den Boden und schlugen die Holzstücke mit gesenktem Kopf (junge Mädchen dürfen diesen Geist nicht einmal anschauen – andernfalls schlägt er zu!) weiter aufeinander, allerdings unter anderen Rhythmen und Liedern als bei Anwesenheit des Koumpo. Große Erleichterung bei allen, als der böse Geist sich wieder entfernt hatte und der Tanz bis weit nach Mitternacht fortgeführt werden konnte. Am nächsten Morgen war es aber genau dieser böse Geist, der die Jugendlichen, die noch im Bett lagen, aufscheuchte und die Langschläfer jagte;-) Am Sonntag war dann schließlich die „europäische“ Geschenkübergabe angesagt, es wurde getanzt und gegessen, bevor der Tag seinen Ausklang mit einem weiteren Koumpo-Tanz fand (die Blasen, die ich mir durch das stundenlange Aufeinanderschlagen der Holzstücke zuzog, sollten die nächste Woche über mein Souvenir der Hochzeit sein^^).

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